„Gendergerechte Spielplätze – Ja oder Nein?“: Das Kulturradio des rbb hat nur für den Titel einer Sendung am 10. Juli verärgerte Kommentare auf seiner Facebookseite geerntet. Allgemeiner Tenor: Es gebe andere, wichtigere Probleme. Aufhänger des Tagesthemas war die derzeitige Debatte in München. Die Stadt plant gendergerechte Spielplätze. Eine Spielraumkommission aus Jugendverbandsvertreter*innen, Verwaltungsmitarbeiter*innen und Politiker*innen soll künftig Empfehlungen für jene vorlegen, die Spielräume gestalten und umsetzen. Wohnungsbauunternehmen und Landschaftsarchitekt*innen sollen Spielplätze für Mädchen attraktiver machen, ohne Jungs zu benachteiligen. Denn offenbar nutzen Mädchen die Areale weniger als Jungs.
Mädchen und Jungen hätten doch nicht per se unterschiedliche Spielplatzbedürfnisse und „Kinder sollten einfach nur wieder Kinder sein dürfen und spielen – Gender hin oder her.“ – Was ist dran an den Einwänden der Hörer*innen? Barbara Willecke, Landschaftsarchitektin vom Büro planung.freiraum in Berlin, stellt in der rbb-Radiosendung klar, dass es sehr wohl unterschiedliche Verhaltensweisen gebe. So benötigten Mädchen Rückzugsräume, während Jungs Räume leichter dominierten. Dabei handele es sich aber nicht um naturgegebene Phänomene, erklärt Soziologe Paul Goroncy. Er hat wie Willecke Gender Diversity zu einem Schwerpunkt seines Schaffens gemacht. „Es gibt spezifische Verhaltensmerkmale, die uns antrainiert werden. Jungs sollen und dürfen laut sein, sich raufen, auspowern. Von Mädchen wird eher verlangt, dass sie zurückhaltend und leiser sind.“
Jungs- und Mädchenspielgeräte seien nicht zielführend, diese gängigen Rollenbilder aufzubrechen. Denn Räume für Jungs, Räume für Mädchen – das sei nicht geschlechtergerecht, sagt Goroncy und stellt klar: Gendergerecht bedeute nichts anderes, als Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern herzustellen. Fakt sei: Es gibt ein Ungleichgewicht, auch auf Spielplätzen. „Hier wird oft mehr Raum für Jungs eingeplant. Das Ziel muss sein, die Stereotype nicht mehr zu bedienen. So ist nämlich keine freie Entwicklung der Persönlichkeit möglich. Wenn ich sehe, dass niemand anderes das macht, was ich gern tun würde, mache ich es nicht. Spielplätze dürfen nicht einem Geschlecht zugeschrieben werden, sondern sie sollen für alle da sein.“
Das ist auch das Credo von Willecke, die das auf ihrer Homepage wie folgt formuliert: „Je größer das Spektrum derer ist, für die ein Freiraum entwickelt wurde, je mehr Menschen ihre spezifischen Bedürfnisse an einem Ort berücksichtigt sehen, je vielfältiger die Schnittmengen und Begegnungsmöglichkeiten, umso attraktiver ist ein Ort für Männer und Frauen, Mädchen und Jungen unterschiedlichen Alters und verschiedener, religiöser und nationaler Herkunft.“
Gendergerechte Spielplätze berücksichtigen also alle Verhaltensmerkmale, ohne sie zu verstärken und lassen den Kindern gleichzeitig Raum sich auszuprobieren – möglichst ohne befürchten zu müssen, nicht ihrer vorgegebenen Rolle zu entsprechen, wie Goroncy betont. „Weil wir nicht auf jeden Spielplatz Sozialarbeiter*innen schicken können, die für Gleichberechtigung sorgen, ist die Gestaltung der einfachste und beste Weg, sanktionsfreien Räumen, die für die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder so wichtig sind, näher zu kommen.“
Für die Praktiker*innen heißt das: Bei der Spielplatzplanung nicht stumpf Geschlechterstereotype (einen Bolzplatz für Jungs, eine lila Schaukel für Mädchen) zu bedienen, sondern möglichst viele Wahlmöglichkeiten zu bieten und keine getrennten Areale zu schaffen. Das ist auch der Ansatz der Landschaftsarchitektin, sie spricht von „Plätzen für alle“.
Dass sich die Stadt München mit dem Thema befasse, kann nach Meinung des Soziologen gar nicht hoch genug bewertet werden. Geschlechter bauten Grenzen in unserer Gesellschaft auf. „Es ist so wichtig, dass wir diese schon im Kindesalter abbauen“, betont Goroncy und fügt hinzu: „Wir wollen keinem Sohn den Fußballplatz wegnehmen, wir wollen ihm nur weitere Möglichkeiten zum Spielen bieten, wenn er das möchte.“