Wie gestalten wir Städte und Gemeinden als Räume der Bewegung und des Spiels? Diese Frage stand im Zentrum des Auftaktes der neuen Seminarreihe „Bewegung in der Stadt“ des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB) und des Fachmagazins playground@landscape in Kooperation mit smb Seilspielgeräte und Kaiser & Kühne. Acht Referent*innen lieferten spannende Antworten auf eine der wichtigsten Fragen unserer Zeit: Wie sieht die Stadt der Zukunft aus? Wie erreichen wir mehr Bewegungsfreundlichkeit? Denn Spiel und Sport sind nicht nur wichtige Standortfaktoren, sie leisten auch einen wichtigen Beitrag zur Lebensqualität.
Der Konsens aller Referent*innen: Es bedarf integrierter Ansätze – nur mit Akteur*innen aus unterschiedlichen Bereichen an einem Tisch können am Ende vernünftige Lösungen für alle gefunden werden. „Wir brauchen integrierte Sportentwicklungsplanung“, betonte Uwe Lübking vom Deutschen Städte- und Gemeindebund gleich zu Beginn der Veranstaltung. Die Gründe für die Notwendigkeit neuer Ansätze sind offenkundig: Die Folgen von Bewegungsmangel sind heute hinreichend bekannt und belegt und die Möglichkeiten, Freiflächen zu erhalten, werden schwieriger.
Dr. Weert Canzler vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschungen brachte einen wichtigen Aspekt ins Spiel: den Verkehr. Er wird bei der künftigen Gestaltung von Städten und Gemeinden eine wesentliche Rolle spielen. Für den Sozialwissenschaftler ist es unbegreiflich, dass sich seit 25 Jahren in diesem Sektor nichts getan hat. Der Abschied vom Auto ist laut Canzler aber unausweichlich für die Schaffung von spiel- und sportfreundlichen Kommunen. „Autos verhindern schöne Flächen. Eine Stadt mit weniger Autos ist lebenswerter.“ Eine Abkehr von der Benzinkutsche sei aber nur mit breitem politischen Willen erreichbar, weiß der Sozialwissenschaftler. Und sie erfordert ein Umdenken in der Bevölkerung, deren Auto-Nutzung immer noch erschreckend ist – Canzler nennt Zahlen: 70 Prozent der Wege, für die die Deutschen das Auto nehmen, sind kürzer als 10 Kilometer. 50 Prozent sind sogar kürzer als 5 Kilometer. Und immerhin noch jede vierte Autofahrt (25 Prozent) endet nach 2 Kilometern. Die gute Nachricht: Es gibt Trends weg vom Auto: Der Anteil der unter 40-jährigen Autofahrer*innen ist langfristig rückläufig und das Fahrrad gewinnt an Bedeutung.
Einfach mal das Auto stehen lassen und die 2 Kilometer zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen – wenn die Infrastruktur da ist, werden die Menschen diese auch nutzen – das zumindest zeigt sich in anderen Ländern. In Holland tragen laut Canzler nur 2 Prozent der Radfahrer*innen Helme, weil sie sicher von A nach B kommen. Die Statistik gibt dem Konzept Recht: Das Land verzeichnet den niedrigsten Wert an Fahrradunfällen. Bewegungsfreundliche Räume tragen vor allem auch zu Gesundheit bei. Dabei sei Bewegung kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, erklärt Prof. Dr. Robin S. Kähler von der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs). „Wir bauen zu viele Barrieren“, mahnt der Sportentwicklungsplaner und erinnert daran, dass nicht nur Vereine im öffentlichen Bereich Sport machen, sondern auch Schulen. Er appelliert an die Planer*innen: „Der öffentliche Raum ist nicht nur ein ästhetischer, sondern auch Bewegungsraum.“ Die zunehmende Verdichtung erfordere mehr Plätze und Angebote, auch kleinere Plätze sollten erhalten bleiben. Seine Empfehlung: Quartiersbezogene Räume, die nicht als Bewegungsräume gedacht sind, aber als solche genutzt werden. Eine Stadt sollte so geplant werden, dass sie jederzeit auch als Bewegungsanlass gesehen werden kann. Verbindungsadern sollten mehr genutzt werden, um Lebensräume zu schaffen.
Kähler nennt zwei Bereiche, für die jede Kommune sofort Geld in die Hand nehmen sollte: die Unterhaltung und das Radwegenetz. Seine Erfahrung bei der gemeinsamen Sportentwicklungsplanung in den Städten und Gemeinden: „Die meisten Bürger beschweren sich über den Zustand der Flächen und der Radwege.“ Er gibt in Richtung der Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung zu bedenken: „Wir denken zu funktional, statt vom Menschen her.“